Das Sicherheits- und Notfalltraining ist ein wesentlicher Bestandteil der Aus- und Weiterbildung von fliegerischem Personal. Lufthansa Aviation Training bietet in diesem Zusammenhang unter anderem das „Safety Emergency Procedure Training“, kurz „SEP“ Training an. Könnten Sie näher beschreiben, um was es sich dabei handelt?
Resch: Der wichtigste Aspekt an Bord ist und bleibt die Sicherheit von Passagieren und Crew. Und genau das trainieren wir bei LAT in diesem Bereich. Egal, ob im Regelfall oder bei einer Abweichung vom normalen Fluggeschehen – im Cockpit und in der Kabine muss jeder Handgriff sitzen. Unsere Kurse bereiten die Crews darauf vor, standardisierte Verhaltensweisen in Normal- sowie in Ausnahmesituationen sicher anzuwenden. Aber auch das Lernen und Wiederholen von beispielsweise Erste-Hilfe-Maßnahmen ist zentraler Trainingsbestandteil. Denn die am häufigsten auftretenden Vorfälle an Bord sind medizinischer Art. Das kann ein leichtes Unwohlsein aber auch ein kritischeres Thema sein. Dann sind eine gute Vorbereitung und schnelles Handeln gefragt.
Gunputh: Häufig wird beim Sicherheitstraining allgemein von „Safety Schulungen“ gesprochen. Das beschreibt übergreifend den gesamten Bereich, zu welchem neben dem SEP Training auch das sogenannte „Crew Ressource Management“ (CRM) zählt. Wir legen bei LAT Wert darauf, beide Gebiete eng miteinander zu verzahnen. Beim CRM werden interpersonelle Kompetenzen, wie Kommunikation, Führungsverhalten oder Entscheidungsfindung trainiert. Beim SEP Training erlernt das Cockpit- und Kabinenpersonal die korrekte Bedienung von Flugzeugsystemen und –ausrüstung sowie bestimmte Verfahrensabläufe, zum Beispiel die sichere und schnelle Evakuierung eines Flugzeuges im Falle einer Notlandung. Wie funktionieren die Systeme und wo finde ich die Ausstattung, die ich benötige? All das kann je nach Flugzeugtyp und Airline variieren. Aus diesem Grund ist das Training auf die jeweiligen Muster bzw. die betreiberspezifischen Prozeduren abgestimmt. Darüber hinaus gehören auch Kurse zum Thema Gefahrgut an Bord oder die eben angesprochene Erste Hilfe zum Safety Training dazu.
Sind die Kurse von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) vorgegeben?
Gunputh: Je nach Profession und Berufsphase müssen Crews unterschiedliche Safety Kurse durchlaufen. Der „Initial Course“ beispielsweise umfasst die Grundausbildung für das Kabinenpersonal. Im Anschluss an die Initial Schulung folgt die flugzeugspezifische und Betreiber Schulung. Einmal jährlich findet die wiederkehrende Sicherheitsschulung im so genannten „Recurrent Training“, statt. Beim Wechsel zu einer neuen Airline wiederum ist es laut EASA Vorschrift, einen „Operator Conversion Kurs“ zu absolvieren, bei welchem die Sicherheits- und Notfallausrüstung sowie die Prozeduren des Betreibers und des zugewiesenen Maschinentyps erlernt werden. LAT hat grundsätzlich alle gemäß EASA lizenzrelevanten SEP Trainings für Cabin und Cockpit Crews im Produktportfolio. Dabei bieten wir den Kunden ein generisches Produkt an, welches darauf aufbauend auf die Bedürfnisse und Verfahren des Operators angepasst werden kann.
An welche Kunden richtet sich das Angebot?
Resch: Als Teil der Lufthansa Group sind wir selbstverständlich der Trainingspartner für die Airlines der Unternehmensgruppe. Mehr als 25.000 Crew Members durchlaufen jährlich mindestens ein Sicherheitstraining bei LAT. Doch auch externe Airlines und Betreiber aus den Bereichen Business Aviation, VIP-Transport, Flugbereitschaft oder Luftwaffe zählen zu unseren Kunden. Unser Ziel ist es, weitere zu gewinnen. Denn das Trainingsangebot von LAT ist auch für den externen Markt äußerst attraktiv.
Inwiefern? Was spricht für das SEP Training bei LAT?
Resch: Zum einen bringen wir durch die enge Verzahnung mit dem Flugbetrieb der Lufthansa Group Airlines langjährige Praxis-Erfahrung mit. Wir wissen genau, vor welchen Herausforderungen unsere Kunden stehen und was sie im Training benötigen. Der Großteil unseres Trainingspersonals war bereits selbst an Bord tätig. Zum anderen sind wir der einzige Anbieter, der das gesamte Trainingsspektrum und die erforderliche Infrastruktur aus einer Hand anbietet. Von den Lehrsälen, zu den Simulatoren bis hin zu Syllabi und Trainer:innen. Insbesondere unsere Emergency Training Devices bieten dabei einen großen Mehrwert.
Gunputh: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben die Möglichkeit, Trainings besonders realitätsnah und dabei kosteneffizient abzubilden. Der Cabin Emergency Evacuation Trainer mit realitätsnaher Innenausstattung und Systemen beispielsweise, simuliert sämtliche Notfallsituationen an Bord durch spezielle Technik, wie visuelle Darstellungen, Geräuschkulisse und teilweise Flugzeugbewegungen, sodass das echte Fluggerät nicht benötigt wird. Darüber hinaus können – anders als im Flugzeug – irreguläre Fälle sicher am Boden trainiert werden. Für die Crews ist es wichtig, Verfahren unter möglichst realen Bedingungen zu üben und nicht nur theoretisch zu lernen. Auf diese Art werden Kompetenzen richtig erworben und angewendet. Dieser Ansatz, kompetenzbasiert zu trainieren, wird in der Luftfahrt immer wichtiger. Bei LAT haben wir bereits vor einiger Zeit begonnen, die Trainingsinhalte von konservativen Lernplänen hin zu einem an den Ergebnissen orientierten Konzept zu entwickeln.
Könnten Sie ein Beispiel für kompetenzbasiertes SEP Training nennen?
Gunputh: Es geht nicht nur darum zu lernen, wie beispielsweise eine Tür im Notfall technisch geöffnet werden muss. Sondern vielmehr darum, im Notfall die Situation richtig einzuschätzen, mit der Crew zu interagieren und sämtliche Verfahren korrekt anzuwenden, damit die Passagiere sicher das Flugzeug verlassen. Um das zu erreichen, ist die bereits angesprochene enge Verzahnung mit weiteren Bereichen, zum Beispiel dem Crew Ressource Management, im Training von großer Bedeutung. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO hat in den vergangenen Jahren neue Empfehlungen für das kompetenzbasierte Training veröffentlicht. Durch meine Mitgliedschaft als „Subject Matter Expert“ bei dieser Organisation hatte und habe ich nach wie vor die Möglichkeit, an einigen der Trainingsleitfäden mitzuarbeiten und dieses Thema in der gesamten Branche weiter voranzutreiben.
Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach digitalen Lösungen erhöht. Inwiefern lässt sich das für SEP Trainings umsetzen, insbesondere mit Blick auf den kompetenzbasierten Ansatz?
Resch: Auch unsere Kunden haben während der Krise vermehrt danach gefragt, Schulungen digital stattfinden zu lassen. Neu ist das für uns jedoch nicht. Wir arbeiten bereits seit einigen Jahren daran, vermehrt digitale Lernmethoden zu entwickeln und umzusetzen. In einigen Bereichen, z.B. im Computer-basierten Training oder auch bei Virtual Reality sind wir bereits gut aufgestellt. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Gleichzeitig hat sie die Digitalisierung weiter beschleunigt – bei LAT hinsichtlich der Konzeption des Trainings, bei den Kunden in Bezug auf die technische Ausstattung, welche die Trainees dafür benötigen, sowie bei den Behörden in Bezug auf die Notwendigkeit, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Das heißt die Zukunft ist rein digital?
Resch: Nein, es wird im SEP Training wahrscheinlich immer Teile geben, die ein Präsenztraining erforderlich machen. Wir verfolgen daher vielmehr einen „Blended Learning“-Ansatz, also eine Mischung aus Präsenz- und virtuellem Unterricht. Das heißt umgekehrt übrigens nicht, dass Präsenztraining rein konventionell ablaufen muss. Auch hier eröffnen uns Technologien wie Virtual oder Augmented Reality neue Möglichkeiten, digitale Elemente einzubauen.
Gunputh: Unser Ziel ist es, für die einzelnen Trainingsinhalte das jeweils beste Format anzubieten. Bei einem Computer-Based-Training beispielsweise klicken sich die Trainees eigenständig durch ein Themenmodul. Dieses eignet sich besonders für technische Lerninhalte wie z.B. Flugzeugsysteme und -ausrüstungen. In einem virtuellen Klassenzimmer wiederum ist der persönliche Dialog möglich. Die Kursleitung kann komplexe Themen erklären und Rückfragen beantworten. Und ein praktisches Training kann am Trainingsgerät selbst oder durch ein Szenario digital simuliert werden.
Inwiefern?
Gunputh: Um auch hier ein Beispiel zu nennen: Für Lufthansa haben wir bereits einen Virtual Reality (VR) Hub aufgebaut, in welchem das lizenzrelevante Security-Training an Bord mithilfe einer VR-Brille nach Luftfahrtbundesamt-Standards durchgeführt werden kann. Denkbar wären auch weitere Anwendungsfälle. Heute wird beispielsweise vor dem eigentlichen Praxis-Training im CEET ein Video gezeigt, das den Druckabfall in der Kabine beschreibt. Dieser theoretische Teil, in dem das Szenario zunächst erklärt wird, könnte zukünftig in einem VR-Format erfahrbar gemacht werden. Anschließend würde dann das Best-Practice-Training im Simulator erfolgen. In der Arbeitsgruppe „Enabling Innovation in Cabin Crew Training“ der EASA diskutieren wir genau solche Ansätze mit Vertretern aus Industrie, Universitäten, und den Luftfahrtbehörden der EU-Länder. Ziel ist es, diese neuen Trainingsmethoden zu zertifizieren, bestmöglich miteinander zu kombinieren und in die Praxis zu übertragen.
Vielen Dank für das Gespräch
Andrea Resch leitet bei Lufthansa Aviation Training (LAT) die Bereiche Safety, Security und Service Training. Raghoonundun Gunputh verantwortet als Produktmanager das „Safety Emergency Procedure Training“ und ist darüber hinaus in seiner Expertenrolle Mitglied der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO. Wir sprachen mit beiden über die Besonderheiten des Trainingsangebots von LAT, den „Blended Learning Ansatz“ und ihre Zukunftsvisionen.